Mexiko-Stadt (dpa) - Eine Woche im Amt und schon hat Donald Trump die Welt ziemlich auf den Kopf gestellt. Vor allem das Nachbarland Mexiko ist fassungslos.
Die «Washington Post» zeigt den am liebsten per Federstrich agierenden Trump in Uniform und spricht vom «Caudillo Yanqui», dem «ersten lateinamerikanischen Präsidenten der USA». Denn dort ist man solchen Populismus schon fast gewohnt - aber Trump könnte nun die Nachbarn im Süden in die Arme anderer Partner treiben.
Boliviens Präsident Evo Morales meint: «Ich appelliere an unsere mexikanischen Brüder: Schaut nach Süden.» Vor allem zwei Dinge haben die Dinge ins Wanken gebracht. Erstens: Der Ausstieg der USA aus der geplanten größten Freihandelszone der Welt, der Trans-Pazifischen Partnerschaft (TPP). Zweitens: Die Drohung mit einer Sondersteuer auf mexikanische Produkte in Höhe von 20 Prozent, um damit eine «große, schöne Mauer» entlang der über 3000 Kilometer langen Grenze zu bauen.
Und es lässt aufhorchen, dass der Import von Zitronen aus Argentinien gestoppt worden ist. Dabei galt die Regierung des liberalen Präsidenten Mauricio Macri als neuer wichtiger Partner, nach Jahren des Protektionismus unter den linken Vorgängerregierungen. Trumps Vorgänger Barack Obama war dort und tanzte in Buenos Aires Tango.
Auch wenn völlig unklar ist, ob sich die ganzen Maßnahmen umsetzen lassen, ob der US-Kongress mitspielt, Trump will Worten Taten folgen lassen. Im Fall von Mexiko könnten die USA mit so einer Steuer pro Jahr zehn Milliarden US-Dollar einnehmen, meint sein Sprecher Sean Spicer. So sei die Mauer leicht zu bezahlen. Er ruderte später etwas zurück, sprach von einem Beispiel, aber die Idee ist nun in der Welt.
Doch dies könnte - neben dem Aus für das Freihandelsabkommen Nafta mit Kanada und Mexiko - in der Region eine neue Zollspirale in Gang setzen. «Vereinfacht gesagt: Jeder politische Vorschlag, der die Kosten von Corona, Tequila oder Margaritas erhöht, ist eine mordsmäßig schlechte Idee. Sehr traurig», meint der republikanische Senator Lindsey Graham in Anspielung auf Trump und seine Botschaften.
Angesichts der Konfrontation mit Trump und der Absage eines Treffens beider Präsidenten will sich Mexiko unabhängiger von den USA machen. «Wir werden unsere wirtschaftlichen Beziehungen diversifizieren», kündigte Präsident Enrique Peña Nieto an. Mexiko will sein Verhältnis zu Argentinien und Brasilien stärken und das Freihandelsabkommen mit der EU modernisieren, der Handel mit Asien soll ausgebaut werden. Aber: Mexiko ist wirtschaftlich eng mit den USA verbunden. 80 Prozent der Exporte gehen in die Vereinigten Staaten. Das Handelsvolumen zwischen beiden Ländern beträgt über 500 Milliarden US-Dollar.
Das Land hat durchaus andere Optionen. Mexiko hat Freihandelsabkommen mit über 40 Staaten und Regionen unterzeichnet. Gerade für die Automobilindustrie in das Land attraktiv. Es verfügt über eine gut ausgebaute Infrastruktur, ein großes Netz an Zulieferbetrieben und relativ gut ausgebildete Arbeitskräfte. Die Lohnkosten sind mittlerweile niedriger als in China. Auch geografisch liegt Mexiko günstig - zwischen Süd- und Nordamerika, zwischen Asien und Europa.
«Dank unserer privilegierten Lage zwischen dem Atlantischen und Pazifischen Ozean haben wir uns zu einem Logistikzentrum für Unternehmen entwickelt», betont Peña Nieto. «Wir sind eine Brücke zwischen verschiedenen Regionen der Welt.» Die Abkehr von den USA könnte sich auch weiter im Süden verstärken. Früher war Lateinamerika «Hinterhof» der USA, im Ost-West-Konflikt wurden zweifelhafte Regime gestützt, Milliarden für Militärpartnerschaften ausgegeben. Seit Jahren, gerade in der Ära der Linksregierungen, ist der Einfluss zurückgegangen. China wurde vielerorts zum dominanten Partner.
Wer heute nach Bolivien oder Ecuador fährt, vor 15 Jahren noch Armenhäuser des Kontinents, sieht immer öfter: neue Flughäfen, modernisierte Straßen, Kraftwerke, gebaut von chinesischen Firmen. Im Gegenzug gibt es Zugänge zu Öl- und Gasreserven. In Bolivien buhlt China um die Ausbeutung der weltgrößten Lithiumvorkommen, wichtig für die Herstellung zum Beispiel von E-Auto-Batterien. Und China will sogar eine Zuglinie vom Atlantik zum Pazifik bauen, um Handelswege Richtung Asien zu verkürzen - und um den Handel weiter auszubauen.
Während Trump die USA einmauern will, können hier geopolitisch die Karten bald ganz neu gemischt werden. Das zeigte sich schon beim Asien-Pazifik-Gipfel (Apec) im vergangenen November in der peruanischen Hauptstadt Lima. Obama kämpfte dort verzweifelt um sein TPP-Projekt, mit der Freihandelszone ohne China sollte eigentlich dessen Einfluss in der Region etwas gemindert werden. Nun könnte China mit den verbliebenen elf Partnern ein neues Abkommen schmieden - aus Lateinamerika sind Mexiko, Chile und Peru bisher bei TPP dabei.
Wie zuletzt auch beim Weltwirtschaftsforum in Davos schwang sich Chinas Staatspräsident Xi Jinping in Lima zum Prediger für mehr Freihandel und weniger Zölle auf. Aber auch die Europäische Union könnte an Einfluss in Südamerika gewinnen: Seit Jahren verhandelt man über ein Freihandelsabkommen mit dem Mercosur-Bündnis. Nachdem dieses das sozialistische Venezuela suspendiert hat, könnten die laufenden Verhandlungen in ein Abkommen münden - neben Paraguay und Uruguay sind auch die wichtigen Player Argentinien und Brasilien Mitglieder.
In den Verhandlungen wurde zuletzt von Mercosur-Seite die Palette zollfreier Exportprodukte von 87 auf 93 Prozent aufgestockt. Damit würde die EU-Forderung von mindestens 92 Prozent erfüllt. Zunehmend gebuhlt wird übrigens auch um den ökonomischen Aufsteiger der Region, Kolumbien: Rohstoffreich und ein neuer Touristen-Hotspot - durch den Friedensprozess und das Ende des Guerillakampfes der Farc bieten sich hier lukrative Möglichkeiten. Gerade erst war Frankreichs Präsident François Hollande zu Gast - er kam auch als ein Handelsreisender.