Dienstag

Die Ukraine, die Krim und die Frage nach dem Warum - Teil 4

aktuellen Nachrichten

Im letzten Teil des Vierteilers geht es um ein hierzulande gerne verschwiegenes Kapitel. Die Mehrheit der Menschen im Osten der Ukraine ging gegen die auf dem Maidan aufgetauchten Radikalen auf die Straße, bis die ukrainische Armee mit einer Offensive begann.

von Zlatko Percinic

Eine Barrikade, die als Gedenkstätte für die Opfer der Auseinandersetzungen Anfang des Jahres hinterlassen wurde, ist mit einer Ikone, einer ukrainischen Flagge und Blumen auf dem dem Maidan in Kiew am 23. Mai 2014 geschmückt.

Wie bereits beschrieben, setzte Washington alles daran, die NATO in die Ukraine zu bringen. Auch gegen den ausdrücklichen Widerwillen der "Gang of Five", wie Washington seine NATO-Partner Deutschland, Frankreich, Niederlande, Spanien und Norwegen abschätzig nennt. Deutschland ist dabei der "Anführer der Gang of Five", die sich nicht für eine Mitgliedschaft der Ukraine im Bündnis erwärmen konnte. Insbesondere Deutschland machte immer wieder deutlich, dass Berlin nichts von dieser Idee hält.

Der damalige Bundesaußenminister und heutige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte am 6. März 2008, dass er es "nicht verhehlen [kann], dass [er] skeptisch [ist]". Auch der deutsche NATO-Botschafter äußerte sich im Juni desselben Jahres bei einem Besuch in der Ukraine ganz ähnlich, als er meinte, dass die europäischen Außenminister erst einmal abklären müssten, ob eine Erweiterung in die Ukraine die Sicherheit von Europa als Ganzem überhaupt verbessern würde. Denn seiner Meinung nach wäre es unmöglich, in Europa Sicherheit ohne Russland zu haben, und richtiggehend dumm, sie gegen Russland anzustreben.

Diese Meinung vertrat nicht nur der "Anführer der Gang of Five", sondern auch der US-Botschafter in Moskau, John R. Beyrle. Seine Analyse aus dem Jahr 2009 war eine ehrliche und realistische, die einen richtigen Dialog zwischen den USA und Russland forderte, um so die ganze Region zu stabilisieren und die Ukraine mit vereinten Kräften auf eigene Beine zu stellen.

Doch in Washington hörte niemand auf solche Worte, erst recht nicht nach dem Charkiw-Abkommen von 2010. Die ursprünglichen Ziele sollten nun mit noch größerem Nachdruck verfolgt werden. Man konzentrierte sich auf die Trümpfe, die noch im Spiel waren, und das war die EU mit dem Assoziierungsabkommen.

Kucinich: "Assoziierungsabkommen war Trojanisches Pferd der NATO"

Als im November 2013 dieses Abkommen in der litauischen Hauptstadt Wilna hätte unterzeichnet werden sollen, schockierte Wiktor Janukowytsch die Welt erneut, als er kurz vor der Unterzeichnung verkündete, dass er dieses Abkommen nicht unterschreiben könne.

Aber warum konnte er das nicht? Unsere Medien machten Russland für diesen Rückzieher verantwortlich. Doch Dennis Kucinich, ein langjähriges Kongressmitglied und US-Präsidentschaftskandidat im Jahr 2008, bietet eine andere Erklärung. Ausgerechnet ein amerikanischer Politiker bietet die wohl wahrscheinlichste Deutung dieses erneuten Schlages ins Gesicht der Amerikaner.

Kucinich nannte das Assoziierungsabkommen der Europäischen Union ein "Trojanisches Pferd der NATO", da sich die NATO durch die Hintertüre in ein Abkommen hineingeschlichen habe, das der hungernden Bevölkerung aber als wirtschaftlicher Rettungsanker verkauft wurde. Der Entwurf des Assoziierungsabkommens wurde in englischer Sprache auf der Webseite der ukrainischen Regierung veröffentlicht. Man konnte dort nachlesen, dass sich die Ukraine durch dieses Abkommen "immer enger an die Annäherung der Standpunkte in bilateralen, regionalen und internationalen Fragen" anbindet, einschließlich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik sowie der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der Europäischen Union.

Diese Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU ist der militärische Aspekt des Abkommens, bei dem die NATO ins Spiel kommt. Da von den 28 EU-Staaten 22 in der NATO sind, kann die GSVP gar nicht anders interpretiert werden denn als Partnerschaft mit der NATO. Zu Recht weigerte sich also Janukowytsch, das Abkommen in dieser Form zu unterschreiben.

Angst ums Gas lässt Deutschland über Nazis hinwegsehen

Die Tatsache, dass dieses Dokument nach dem Putsch gegen die Regierung von Janukowytsch und der Installierung der Übergangsregierung unter Jazenjuk von der Homepage der Regierung gelöscht, aber als Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der LINKEN bestätigt wurde, bekräftigt die Erklärung von Dennis Kucinich. Und natürlich die ganze weitere Entwicklung seit dem Putsch, die die ganze bisher verborgene Absicht der NATO bzw. der USA ans Tageslicht brachte. Dass Russland nach dem Putsch aber das für die Ukraine so wichtige Abkommen von Charkiw aufkündigen würde, nahm man in Washington billigend in Kauf. Ironischerweise müsste sich Washington eigentlich bei den Menschen der Krim bedanken, die sich für eine Aufnahme in die Russische Föderation aussprachen. Und natürlich beim russischen Präsidenten Wladimir Putin, der diesen Schritt zuließ.

Denn nachdem die Krim sich für die Abspaltung von der Ukraine ausgesprochen hat, befindet sich auf dem momentan realen Staatsgebiet der Ukraine keine ausländische Militärbasis mehr. Das heißt: Der Weg für die NATO wäre frei, wenn die internationale Gemeinschaft diese Abspaltung als solche anerkennen würde.

Dass sich Deutschland am Ende doch noch auf dieses gefährliche Spiel eingelassen hat, liegt daran, dass Berlin die Kontrolle über die Energieroute durch die Ukraine haben wollte. Es gäbe für Deutschland aus energiepolitischer Sicht keine größere Katastrophe, als wenn plötzlich kein Gas mehr aus der Ukraine käme. Berlin handelt ganz nach dem Motto: Halte deine Freunde nahe bei dir, aber deine Feinde noch näher. Das ist einer der Gründe, warum Deutschland sich so schwer tut mit der Verurteilung der ukrainischen Regierung, die im Krieg gegen die russischsprachigen Föderalisten auf Neonazis zurückgreift.

Die Völkermordfantasien der Julia Timoschenko

Nachdem sich die Bewohner der Halbinsel Krim am 16. März 2014 mit einer überwältigenden Mehrheit für die Abspaltung von der Ukraine und Aufnahme in die Russische Föderation entschieden hatten, schien der Traum von einer NATO-Basis in Sewastopol ausgeträumt. Die von westlichen Medien als moderne Version von Jeanne d'Arc präsentierte Julia Timoschenko ließ denn auch in einem vermeintlich unbeobachteten Moment ihre Maske fallen. In einem abgehörten Telefongespräch am 18. März 2014, nur zwei Tage nach der Abstimmung, sagte sie dem ehemaligen stellvertretenden Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrats, Nestor Schufritsch:

Das [die Krim-Abstimmung] sprengt wirklich alle Grenzen. Es ist an der Zeit, dass wir zu unseren Waffen greifen und diese verdammten Russen mitsamt ihrem Anführer umbringen! Wäre ich Ministerpräsidentin gewesen, hätte es keinen verdammten Weg gegeben, dass sie [die Russen] die Krim erhalten.

Als Schufritsch einwendet, dass sie ja über keine Machtpotenziale verfügten, um die Krim halten zu können, antwortete Timoschenko, dass sie "schon einen Weg gefunden hätte, um diese Arschlöcher zu töten".

Weiter meinte sie:

Ich hoffe, dass ich meine ganzen Verbindungen einbringen kann. Und ich werde alles in meiner Macht Stehende unternehmen, um die ganze Welt zu mobilisieren, sodass es nicht einmal mehr ein versengtes Feld in Russland geben wird. [...] Ich bin bereit, ein Maschinengewehr zu packen und diesem Russen in den Kopf zu schießen.

Während Nestor Schufritschs Pressestelle dieses Gespräch als reine russische Propaganda abtat und behauptete, dass dieses nie stattgefunden habe, bestätigte Timoschenko selbst über Twitter, dass es dieses Gespräch tatsächlich gab.

Dieses vom Westen absichtlich ignorierte Gesicht der Julia Timoschenko passt auch viel besser zur knallharten Oligarchin, die bereits die Orangene Revolution angeführt hatte, als das der armen Politikerin mit dem süßen Zopf und dem unschuldigem Lächeln, derer man sich in der Berliner Charitéannehmen musste.

Aufbegehren gegen Putsch begann in Charkiw

Was von westlichen Medien und Regierungen ebenfalls ignoriert wurde, waren die Proteste in der ostukrainischen Großstadt Charkiw, die sich gegen die Entwicklung auf dem Maidan in Kiew richteten. Noch bevor es zu den fatalen Schüssen durch Scharfschützen kam, organisierten sich junge, sehr gut ausgebildete Menschen, weil sie die neonazistische Gewalt in Kiew und anderen Städten verurteilten und sich und das Land nicht einfach dem Schicksal überlassen wollten.

Am 22. Februar 2014 versammelte sich eine große Menschenmenge im Charkiwer Sportpalast, wo sich per Handakklamation eine Mehrheit für eine Autonomie und gegen "die Kräfte des Maidan" entschied. Ein paar Tage lang formierten sich auf den Straßen der Stadt zwei Camps, der "Antimaidan" und die "Maidanaktivisten". Bis zum 1. März blieb es relativ ruhig zwischen den zwei Gruppen. Doch als die ukrainische Flagge am Gouverneurssitz von Charkiw für 45 Minuten durch eine russische ersetzt wurde, eskalierte die Lage. In den darauffolgenden Tagen kam es immer wieder zu blutigen Straßenschlachten, welche mindestens zwei Todesopfer aufseiten der Antimaidanaktivisten zur Folge hatten.

Mehr lesen: Saakaschwili nach Abschiebung durch Poroschenko - "Kanzlerin Merkel letzte Hoffnung für Ukraine"

Unterdessen sprang der Funke der Rebellion gegen die in Kiew installierte Putschregierung von Ministerpräsident Jazenjuk auch auf Charkiws Nachbarn Lugansk und Donezk über. Im Gegensatz zu Charkiw aber, wo die Lokalbehörden sich gegen die anbahnende Revolution stemmten, unterstützten die Behörden in Lugansk und Donezk die Demonstranten.

Mitte April 2014 begann dann schließlich die militärische Offensive der ukrainischen Armee gegen die Föderalisten im Donbass, die den Putsch in Kiew und die Regierung von Jazenjuk nicht anerkennen wollten. Ihr Ziel war es nicht nur, die Rebellion niederzuschlagen, sondern sich die riesige Menge an Waffen verschiedenster Gattungen zu sichern, die seit der Auflösung der Sowjetunion auf dem Gebiet der Oblaste von Lugansk und Donezk gelagert blieben. Der ukrainische Verteidigungsminister von 1996 bis 2001, General Alexander Kusmuk, erklärte anlässlich der Abspaltung der Krim auch, warum das so ist:

Die strategischen Pläne zur Nutzung der Ukrainischen Streitkräfte waren nicht dazu ausgelegt, den Osten und Norden zu verteidigen, niemals...

Wie die NZZ-Redakteurin Ann-Dorit Boy angesichts dieser Tatsachen von einer Überraschung für die ukrainische Armee sprechen kann, bleibt nicht nur für mich ein Rätsel.

Die Ukraine, die Krim und die Frage nach dem Warum - Teil 3

aktuellen Nachrichten

Im dritten Teil des Vierteilers von Zlatko Percinic geht es um die systematische Umsetzung der Ziele der USA und die dafür nötigen Marionetten in Kiew. Der heutige Präsident Petro Poroschenko wurde schon früh als "Insider" und "lieber Freund" bezeichnet.

von Zlatko Percinic

Zu diesem Zweck fingen die Amerikaner an, sich in der Ukraine nach geeignetem "Personal" umzuschauen. Der seit mindestens 2006 für die USA als "Insider" tätige heutige Präsident Petro Poroschenko, den die US-Botschaft in Kiew zwar als "lieben Freund" bezeichnete, während sie aber auch zugeben musste, dass er "mit glaubhaften Korruptionsvorwürfen behaftet" war, galt nichtsdestotrotz als jemand, den es zu hegen und pflegen galt. Er verfügte über erheblichen Einfluss in der ukrainischen Opposition, und man wusste von ihm, dass er ganz im Gegensatz zu Wiktor Janukowytsch die NATO-Mitgliedschaft befürwortete.

Der absolute Shootingstar in der ukrainischen Politik war aber ein anderes, mittlerweile auch bei uns bekanntes Gesicht: Arseni "Jaz" Jazenjuk.

Im Jahr 2008 verfasste die US-Botschaft eine regelrechte Lobeshymne auf Jazenjuk und hob seine Errungenschaften trotz des politisch zarten Alters von nur 34 Jahren heraus. Bis zu diesem Zeitpunkt, im Jahr 2008, war Jazenjuk bereits Wirtschaftsminister, Außenminister und Parlamentssprecher. Im letzten Teil dieses Jazenjuk-Profils wird die rhetorische Frage gestellt, wie er wohl als politische Führungskraft sein würde. Und die Antwort wird gleich mitgeliefert:

Wie beschrieben, ist Jazenjuk ein engagierter, nachdenklicher und pragmatischer Anführer. Unser Eindruck nach Meetings mit dem Sprecher und aus der Zeit, als er Außenminister war, ist, dass er ein ausgesprochen nach vorne blickender junger Politiker ist. Als Ministerpräsident oder Präsident würde er wahrscheinlich reformorientiert sein, während er sich auf seine politischen Beziehungen stützen würde, um Gesetze durchzubringen. Sein wirtschaftlicher Background lässt vermuten, dass er die Außenpolitik von einem wirtschaftlichen Standpunkt angehen würde, aber er hat sich selbst als offen für eine NATO-Kooperation gezeigt, und sein Think Tank demonstriert, dass er über das internationale Image der Ukraine Bescheid weiß.

Milliardenschwere Finanzspritze nur für NATO-Propaganda

Dieser Think Tank, von dem die Rede, ist die Open Ukraine Foundation, welche, wie schon zu erwarten war, vom US-Außenministerium, der NATO, dem German Marshall Fund of the United States, dem National Endowment for Democracy (wo auch das Who's Who der Neocons tätig ist), Chatham House und der Stiftung seines größten Gönners, des Oligarchen Wiktor Pintschuk, unterstützt wird.

Als 2010 Wiktor Janukowytsch zum Präsidenten gewählt wurde, sahen die USA ihre Investition in die Ukraine bedroht. Victoria Nuland, die uns 2014 bereits mit "Fuck the EU" beehrte und auch zugab, dass ebendieser junge Shootingstar aus der ukrainischen Politik in der Tasche der USA steckte, gab aber auch bekannt, wie viel die US-Regierung in die Ukraine investiert hat: fünf Milliarden US-Dollar.

Dieses Geld wurde zum Teil auch für die Verbreitung der NATO-Propaganda innerhalb der Ukraine ausgegeben, um das Volk endlich auf Linie zu bringen. Im Jahr 2008 wurde Nuland vom ukrainischen Botschafter Sagach informiert, dass die Ukraine eine Million Dollar für diese Propagandazwecke ausgegeben hat. Interessanterweise gab nur drei Monate später Wiktor Juschtschenko, der damalige ukrainische Präsident, bei einem Besuch von NATO-Repräsentanten in Kiew an, dass man zwei Millionen US-Dollar für die Propaganda pro Jahr ausgeben wolle, und das für die nächsten fünf Jahre!  Woher kam dieses Geld, wenn man doch noch drei Monate zuvor nicht mehr als insgesamt eine Million Dollar aufbringen konnte?

Doch in Washington hegte man noch die Hoffnung, dass die Ukraine auch trotz des neugewählten Präsidenten Janukowytsch der Ankündigung des abgewählten Präsidenten Juschtschenko treu bleibe, den im Jahr 2017 auslaufenden Vertrag für den russischen Stützpunkt der Schwarzmeerflotte in Sewastopol auf der Halbinsel Krim nicht zu verlängern.

Keine NATO-Mitgliedschaft, solange Sewastopol-Stützpunkt besteht

Denn gemäß der NATO-Charta dürfte die Ukraine kein Mitglied werden, solange sich ein ausländischer Militärstützpunkt im Land befindet.  Für die USA/NATO war der Kurs also klar: Spätestens 2017 wird die Ukraine NATO-Mitglied, und der Eintrittspreis für die USA/NATO wäre Sewastopol.

Für Russland hätte das bedeutet, dass keine 500 Kilometer von dem kleineren Stützpunkt bei Noworossijsk auf russischer Seite die NATO über den wichtigsten und größten Stützpunkt des Schwarzen Meeres verfügen würde. Die Schwarzmeerflotte hätte so jeglichen Bewegungsfreiraum verloren und dies hätte unweigerlich zu gefährlichen Spannungen geführt.

Aus den WikiLeaks-Dokumenten wird deutlich, wie die USA versucht haben, auf Kiew Einfluss zu nehmen. Sie versuchten es mit Verlockungen wie dem Freihandelsabkommen mit der EU und dem Assoziierungsabkommen mit der EU und versprachen, ihren Einfluss beim Internationalen Währungsfonds geltend zu machen, damit das Land die in Aussicht gestellten 15 Milliarden US-Dollar endlich erhalte. Zudem versuchten sie in verschiedenen Gesprächen, hauptsächlich mit Julia Timoschenko, darauf hinzuweisen, dass es sich für die Ukraine nicht lohnen würde, den Vertrag mit Russland für den Stützpunkt Sewastopol zu verlängern.

Die 98 Millionen US-Dollar Miete, die Moskau jedes Jahr überweist, waren in der Tat sehr wenig verglichen mit den Summen, die die USA für ihre Stützpunkte überall auf der Welt bezahlen. Es sollte der Eindruck entstehen, dass die Ukraine vom Westen mehr zu erwarten hätte als das, was Kiew von Russland erhält. Aber was in Brüssel und Washington offensichtlich aus den Augen gelassen wurde, war die Tatsache, dass die Ukraine es sich nicht leisten konnte, zu warten, bis die diversen in Aussicht gestellten Abkommen endlich auch eine Dividende abwerfen. Was Kiew brauchte, war Geld, und zwar schnell. Aber das konnte und wollte der Westen nicht liefern.

Janukowytsch musste seinen Haushalt retten

Als Wiktor Janukowytsch 2010 zum Präsidenten gewählt wurde, befand sich die Ukraine in einer schweren finanziellen Krise, der neue Präsident sollte aber das Staatsbudget für das kommende Jahr aufstellen. Ihm blieb eigentlich gar nichts anderes übrig, als mit Moskau zu verhandeln. Seine Partner im Westen ließ Janukowytsch über diese Verhandlungen im Dunkeln, genauso wie die meisten seiner Landsleute. Man wusste zwar, dass er nach Amtsantritt ein paar Mal nach Moskau gereist war, aber das war angesichts der engen Verknüpfung beider Länder alles andere als ungewöhnlich. Als er dann nur drei Monate später in Charkiw/Ukraine (Charkow auf Russisch) zusammen mit dem russischen Präsidenten Dmitri Medwedew einen fertig ausverhandelten Vertrag unterschrieb, waren alle geschockt.

Am meisten waren es aber die Bürokraten in Brüssel und Washington. Denn das Charkiw-Abkommen erlaubte es Russland, den Stützpunkt in Sewastopol von 2017 an noch weitere 25 Jahre zu nutzen, also bis zum Jahr 2042, mit einer Option auf weitere fünf Jahre. Zwar blieb die Miete die gleiche (98 Millionen USD/Jahr), auch wenn die Ukraine mehr als eine Milliarde US-Dollar jährlich gefordert hatte, doch im Gegenzug wurde der Gaspreis für Kiew um 30 Prozent reduziert. Dieser Rabatt würde dem bis aufs Äußerste strapazierten Finanzministerium allein für den Rest des Jahres 2010 zusätzliche 2,8 Milliarden US-Dollar in die Kasse spülen.

Von 2011 bis 2020 sollten es jährlich vier Milliarden US-Dollar sein, die Kiew durch diesen Rabatt einsparen und für andere Projekte einkalkulieren könnte. Das wären insgesamt 38,8 Milliarden US-Dollar gewesen, die Janukowytsch im Handumdrehen mit Moskau ausgehandelt hat. Das ist mehr als siebenmal so viel wie das, was Washington für subversive Aktivitäten und angebliche Hilfsprojekte "investiert" hat, und mehr als das Doppelte dessen, was der Internationale Währungsfonds irgendwann eventuell an Krediten zur Verfügung gestellt hätte. Zumal Josh Cohen, ein ehemaliger Mitarbeiter des U.S. Agency for International Development (USAID), diese IWF-Kredite "eine Schocktherapie, die sich die Ukraine gar nicht leisten kann" nannte.

Putin: "Teuerste Militärbasis der Welt"

Genau aus diesem Grund beschwerte sich sogar Wladimir Putin, der zu diesem Zeitpunkt Ministerpräsident war, über diese enormen Summen, die Medwedew der Ukraine zugestanden hatte. Denn aus russischer Sicht bedeutete dieses Abkommen ein Defizit von etwa fünf bis sechs Prozent für das Jahr 2010, da in dem kalkulierten und abgesegneten Budget für dieses Jahr kein Verlust von 2,8 Milliarden US-Dollar vorgesehen war. Natürlich kannte Putin den geostrategischen Wert von Sewastopol, dennoch beschrieb er den ausgehandelten Rabatt für die Ukraine als "exorbitant" und meinte zum russischen Stützpunkt, dass es "keine Militärbasis auf der Welt gibt, die so viel Geld gekostet hat".

Obwohl Janukowytsch mit diesem Vertrag von Charkiw sein Land vor dem sicheren Bankrott bewahrt hatte, brachte er damit insbesondere Washington gegen sich auf. Für die Europäische Union stellte dieses Abkommen in punkto Assoziierungsabkommen keine Gefahr dar, wie die Organisation Wider Europe feststellte, die sich für die Transparenz der EU im Umgang mit den Ländern der Union, aber auch europäischen Nicht-EU-Ländern einsetzt. Für die Pläne der NATO und somit der USA war dieser Vertrag von Charkiw hingegen eine einzige Katastrophe.

(Fortsetzung folgt)

Sonntag

Die Ukraine, die Krim und die Frage nach dem Warum - Teil 2

aktuellen Nachrichten

Der zweite Teil unserer vierteiligen Reihe zeigt auf, wie die USA die Auflösung der Sowjetunion genutzt haben, um deren Nachfolgestaaten in den eigenen Einflussbereich zu ziehen. Insbesondere Russland unter Wladimir Putin sollte geschwächt werden.

von Zlatko Percinic

Amerika nutzte die russische Schwäche nach dem Ende der Sowjetunion aus und spannte einen militärischen Schirm über einige Länder, die früher hinter dem Eisernen Vorhang gelegen hatten. Mit Ausnahme der drei kleinen baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen befanden sich diese Länder aber nicht direkt an der Grenze zu Russland. In Moskau nahm man diese Entwicklung zähneknirschend hin, aber man betrachtete sie nicht als eine Gefahr für die nationale Sicherheit. Dann kamen die Terroranschläge von 9/11 dazwischen, wo man sich mit den USA solidarisierte und im "Krieg gegen den Terror" den Amerikanern zur Seite stand.

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Doch die Regierung von George W. Bush zeigte sich nicht etwa dankbar für die russische Unterstützung, sondern ließ nur drei Monate nach den Terroranschlägen die Russen wissen, dass die USA das seit 1972 in Kraft stehende ABM-Abkommen (Anti-Ballistic Missile Treaty oder Vertrag zur Begrenzung von Systemen zur Abwehr von ballistischen Raketen) im Jahr 2002 aufkündigen werde. Mit diesem Abkommen verpflichteten sich die USA und die UdSSR, ihre Entwicklung von ballistischen Raketen zu limitieren und - was noch wichtiger ist - man beschränkte die Stationierung von ballistischen Raketen auf lediglich die jeweilige Hauptstadt sowie eine weitere Position nach Wahl im jeweiligen Land, allerdings mussten die beiden Standorte mindestens 1.300 Kilometer voneinander entfernt sein.

Das Aus für den ABM-Vertrag als erster Sündenfall

Es handelte sich bei diesem ABM-Abkommen also um ein äußerst nützliches Abkommen, das beiden Seiten ein gewisses Maß an Vertrauen abverlangte. Korrekterweise wurde dieses Abkommen weltweit, aber auch von jeder US-amerikanischen Regierung bis Bush II als ein "Eckpfeiler der strategischen Stabilität" bezeichnet.

Für die neokonservative Elite der USA, die über den Beraterstab von George W. Bush an die Macht kam und nach 9/11 die Gelegenheit erhielt, tatsächlich eine neue Weltordnung nach eigener Vorstellung zu modellieren, war dieses ABM-Abkommen natürlich ein Hindernis. Dementsprechend wurde es in solchen Kreisen wie der Heritage Foundation als "historisches Ereignis" gefeiert, als Präsident Bush das Abkommen aufkündigte und man den Anhängern stolz mitteilte, dass man schon seit Jahren daran gearbeitet hatte, eine Grundlage zur Auflösung dieses wichtigen Vertragswerks zu schaffen.

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Nur kurze Zeit später erklärte Washington seine Absicht, sein Raketenabwehrprogramm aus der Reagan-Ära wieder zu aktivieren und in die Realität umzusetzen. Es sollten aber noch weitere zehn Jahre vergehen, bis es dann tatsächlich so weit war und die NATO mitteilte, dass die Raketenabwehr in Europa einsatzbereit sei.

Dass Moskau diese gesamte Entwicklung als eine gegen Russland gerichtete Politik interpretierte, kann nicht weiter verwundern, zumal die NATO Russland zwar eine nicht näher definierte "Kooperation" für dieses Raketenabwehrprogramm angeboten, jedoch einen gemeinsamen Betrieb des Systems ausgeschlossen hatte.

Die Farbrevolutionen werden als Waffe entdeckt

Nebst der militärischen Dimension übte Washington insbesondere mittels der so genannten Farbrevolutionen in der traditionellen Einflusssphäre Russlands massiv Druck auf Moskau aus. Was uns als populäre Demonstrationen des Volkes gegen die jeweiligen Regierungen verkauft wurde, wurde so gut wie immer nach demselben Muster organisiert. Washington hatte nach der Bombardierung von Serbien eine Organisation für sich entdeckt, die ein erfolgreiches Konzept zum friedlichen Widerstand gegen eine ungeliebte Regierung weiterentwickelt hat und die von Dr. Gene Sharp der Oxford University erfunden wurde.

Und was viel wichtiger war: Dieses Konzept konnte man in jedem Land ohne größeres Risiko anwenden, da es sich nicht um kriminelle Aktivitäten im engeren Sinne handelte. Diese Organisation hieß OTPOR!, was so viel wie "Widerstand" bedeutete. Das Besondere an OTPOR! war es, dass dieses Konstrukt es geschafft hat, verschiedene Studentenorganisationen unter eine "Führung" zu bringen, um mit vereinter Kraft und einer Stimme ihre Forderungen an die Regierung zu stellen. Im Falle Serbiens war dieser Widerstand sogar noch vollkommen legitim und geschah ohne Einmischung von außen. Doch schon kurz nach dem Sturz der Regierung von Slobodan Milošević suchte der Gründer von OTPOR!, Srđa Popović, nach Möglichkeiten, um mit westlichen Regierungen in Kontakt zu treten. In Washington stieß er dann auf gewaltiges Interesse. Laut den E-Mails vonSTRATFOR, die WikiLeaks erhalten hat, gibt es sogar Hinweise darauf, dass der Kontakt zwischen Popović und Washington nicht erst nach dem Sturz von Milošević hergestellt wurde, sondern noch während der Proteste von 1999. Popovićs OTPOR! soll bereits zu diesem Zeitpunkt Geld und Training der CIAerhalten haben.

Im Jahr 2003 wurde OTPOR! in CANVAS (Center for Applied Non-Violent Action and Strategies) umbenannt, eine Organisation, die weltweit Studentenbewegungen im zivilen Ungehorsam gegen die jeweilige Regierung ausbildet. Das Problem aber ist, dass CANVAS zu einem Instrument der US-amerikanischen Regierung geworden ist. Laut der STRATFOR-Email wird CANVAS durch diverse US-amerikanische Organisationen finanziert und unterstützt, die als weiterführende Arme des US-Außenministeriums und der USAID (U.S. Agency for International Development) gelten. Dazu zählen Organisationen wie Freedom HouseAlbert Einstein Institute (Gründer Dr. Gene Sharp), International Republican InstituteNational Democratic Institute for International Affairsoder auch das Flaggschiff der neokonservativen Elite, das American Enterprise Institute.

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Überall, wo es in den vergangenen elf Jahren zu "Farbrevolutionen" kam, angefangen mit "erfolgreichen" Revolutionen in Georgien (Rosenrevolution 2003), der Ukraine (Orange Revolution 2004), Kirgistan (Tulpenrevolution 2004), Libanon (Zedernrevolution 2006) und "Niederlagen" in Weißrussland, Usbekistan, Aserbaidschan, Venezuela, dem Iran und sogar Russland, spielte CANVAS und somit auch die USA eine tragende Rolle. Kein Wunder also, dass sich auch STRATFOR brennend für CANVAS interessierte, um laut den WikiLeaks vorliegenden E-Mails an das riesige Netzwerk der Organisation zu kommen.

Ausdruck einer ideologisch motivierten Politik ohne Faktenkenntnis

Für Moskau bedeuteten diese Farbrevolutionen eine direkte Einmischung der US-Regierung unmittelbar vor der Haustüre. Durch die rasend schnelle Verbreitung der "Revolutionen" war Russland gezwungen, mehr oder weniger von der Seitenlinie aus zu beobachten, was sich daraus ergeben würde. Doch wirklich besser wurde es nach den Revolutionen weder in der Ukraine noch in Georgien. Das lag natürlich zum Teil daran, dass Moskau den Versuch unternahm, die Auswirkungen der "Revolutionen" in den Griff zu bekommen. Aber der weitaus wesentlichere Grund für die Instabilität lag daran, dass diese ehemaligen Länder der Sowjetunion viel zu sehr mit der russischen Wirtschaft und Oligarchie verbunden waren, als dass sie sich davon problemlos hätten loslösen können. Je mehr der Westen versuchte, diese Länder in die eigene Einflusssphäre zu ziehen, desto größer wurde die Instabilität.

Als die Orange Revolution von 2004 in der Ukraine nicht zum erhofften (und schnellen) Kurswechsel führte, fing der damals noch amtierende US-Präsident George W. Bush im Frühjahr 2008 an, seine NATO-Partner zur Bewilligung des Membership Action Plans (MAP) für die Ukraine und Georgien zu drängen, der Vorstufe zur Mitgliedschaft im Militärbündnis. Noch am 1. Februar 2008 erklärte der russische Außenminister Sergej Lawrow der US-amerikanischen Botschaft in Moskau, dass die NATO-Erweiterung insbesondere in die Ukraine und Georgien als eine "potenzielle militärische Bedrohung" eingestuft werden müsse. Man hätte zwar gerne den Beteuerungen der NATO Glauben geschenkt, dass die Erweiterung nicht gegen Russland gerichtet sei, doch die Errichtung von amerikanischen Stützpunkten in diesen Ländern dürfe man "nicht nach Absichtserklärungen evaluieren, sondern nach deren Potenzial".

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Doch die USA ließen sich von den Einwendungen Lawrows nicht beirren und erklärten nur zwei Monate später auf der NATO-Konferenz in Bukarest, dass die Ukraine ein NATO-Mitglied werden soll. Noch US-Außenministerin Condoleeza Rice unterstrich diese Absicht mittels einer Charta, der United States-Ukraine Charter on Strategic Partnership, die am 19. Dezember 2008 in Washington unterschrieben wurde. Zwar ist dieses Dokument kein bindendes Abkommen, sondern vielmehr so etwas wie eine Absichtserklärung, es stellte aber dennoch die Weichen weiter in Richtung einer NATO-Expansion in die Ukraine.

Endlich hat man sein Feindbild wiedergefunden

Die heftige öffentliche Reaktion Russlands auf diese Schritte wurde in den USA so gewertet, dass man mit dem NATO-Engagement in der Ukraine und Georgien genau auf dem richtigen Weg sei. Selbst heute noch ist man davon überzeugt, diese Länder vor Russland "beschützen" zu müssen. Man verfiel in Washington dem Glauben, dass Moskau nichts weniger vorhat, als eine neue Sowjetunion auferstehen zu lassen. War das aber nicht der Existenzgrund der NATO, die Welt vor der Expansion der Sowjetunion zu beschützen? Der neue, der richtige Feind war geboren.

Die Devise ab diesem Zeitpunkt konnte nur noch "jetzt erst recht" heißen. Die Strategen in Washington ließen sich auch nicht von Äußerungen des ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowytsch wie jene vom 2. Juli 2010 vom Kurs abbringen, als dieser sagte, dass die Ukraine

den Kurs einer blockfreien Politik gewählt hat, um die Entstehung von neuen Trennlinien auf dem europäischen Kontinent zu verhindern.

Ähnlich äußerte er sich auch am 12. Januar 2010, zu diesem Zeitpunkt noch als Präsidentschaftskandidat, als Janukowytsch in einer Fernsehansprache bekannt gab, dass er die Mitgliedschaft in der NATO nicht weiterverfolgen werde.

Stattdessen sollte die Motivation für Reformen in der Ukraine die Erreichung von europäischen technischen und sozialen Standards sein.

Dass er die Präsidentschaftswahlen dann auf dieser Plattform auch gewann, hätte im Westen als Zeichen gedeutet werden sollen, dass die Mehrheit der Ukrainer gar nicht der NATO beitreten wollte. Doch der ukrainische Präsident konnte sagen, was er wollte, für die NATO bzw. USA gab es nur den Weg nach vorne.

(Fortsetzung folgt)

Die Ukraine, die Krim und die Frage nach dem Warum - Teil 1

Analysen

Glaubt man dem Mainstream-Narrativ, ist Russland ein Störenfried, der aus irrationalen Beweggründen heraus den westlichen Weg in das immerwährende Friedensreich der liberalen Demokratie blockiert. Sieht man genauer hin, stellt sich die Lage etwas anders dar.

von Zlatko Percinic

Wenn sich ein Krieg über mehrere Jahre hinwegzieht und für die meisten Menschen nur noch zu einer lästigen Randnotiz in der Flut von anderen Krisen, Katastrophen oder der gefühlten Rund-um-die-Uhr-Berieselung mit sinnlosen TV-Shows wird, dann vergisst man schnell, was überhaupt zu einem Konflikt geführt hat.

Immer wieder begegne ich der Frage: "Warum wird in Syrien gekämpft? Stimmt es, dass Russland in die Ukraine einmarschiert ist und deshalb Krieg herrscht? Was war eigentlich in Afghanistan los?"

Bei einem Artikel von Ann-Dorit Boy, der deutschen Auslandsredakteurin für die schweizerische Neue Zürcher Zeitung (NZZ)fiel mir dieser Aspekt wieder einmal deutlich auf. Obwohl ich Frau Boy ganz sicher nicht unterstellen möchte, dass für sie die Krisen und Kriege dieser Welt, und dabei insbesondere jener in der Ukraine, nur eine Randnotiz darstellen, so überraschte mich dennoch eine Passage aus ihrem Artikel außerordentlich:

Als die marode ukrainische Armee im Frühjahr 2014 plötzlich im Donbass von Russland unterstützten Rebellen gegenüberstand, war sie auf die Unterstützung der Freiwilligen-Bataillone angewiesen, die teilweise aus rechtsextremen Kreisen stammten.

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So wie es die NZZ-Redakteurin schreibt, dass im Frühjahr 2014 die ukrainische Armee "plötzlich" von "Russland unterstützten Rebellen gegenüberstand", impliziert sie, dass es sich für die Ukraine um eine Überraschung handelte. Und aus dieser Not heraus, so die weitere Logik der Implikation, musste sich die ukrainische Armee an Freiwilligen-Bataillone wenden, da sie ja selbst "marode" war, wie Frau Boy festhält. Abgesehen davon, dass das ein halbherziger Versuch ist, die Tatsache einer erheblichen Präsenz bewaffneter Neonazis in der Ukraine zu beschwichtigen, könnte bereits die angebliche "Überraschung" nicht weiter von der Realität entfernt sein. Die ukrainische Armee stand nicht "plötzlich" bewaffneten Rebellen gegenüber. Es ist deshalb wichtig, sich die Entwicklung hin zu diesem Konflikt anzuschauen. Urteilen Sie am Ende dann selbst, ob Ann-Dorit Boy mit ihrer Einschätzung richtigliegt. 

"Weg zur nationalen Sicherheit verläuft durch Moskau"

Als sich die Europäische Union ihrem Projekt der Osterweiterung verschrieben hatte, musste Brüssel früher oder später auch auf die Ukraine als Objekt der Begierde stoßen. Zumal das Land als einer der wichtigsten Energiepartner, wenn auch nur als Transitland, insbesondere für Deutschland galt. Auch die USA spielten eine beachtliche Rolle in dem Poker um die Ukraine. So wie sich die EU nach Osten hin ausdehnte, folgte die von den Amerikanern dominierte militärische NATO-Allianz dem gleichen Pfad. Der gegenseitige Respekt zwischen Washington und Moskau - im Sinne von zwei ebenbürtigen Gegnern - ging mit der Auflösung der Sowjetunion verloren.

Der Historiker und ehemalige Professor für Russistik an der Princeton University, Stephen F. Cohen, schrieb in einem Essay in der Huffington Post, dass die USA seit der Auflösung der Sowjetunion nie ernsthaft an einer echten Partnerschaft mit Russland interessiert waren. Stattdessen machte sich Washington sofort ans Werk, um "Russlands post-kommunistische Entwicklung zu diktieren und es zu einem U.S.-Kunden zu machen". In diesem Essay hält Professor Cohen auch fest, dass es heute keine wirkliche Kooperation mehr zwischen Washington und Moskau gibt und es im Grunde seit 1991 nie wirklich eine gegeben hat. Tatsächlich gäbe es heute weniger "essenzielle Kooperationen" zwischen den beiden Ländern als vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Und das, obwohl Cohen festhält, dass "der Weg zu Amerikas nationaler Sicherheit durch Moskau verläuft".

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WikiLeaks-Depeschen bestätigen diese Einschätzung von Professor Cohen. Die Ukraine spielte für Washington nur deshalb eine Rolle, weil sie das Verbindungsstück zwischen Europa und Russland bildet. Alles, was Washington interessierte, kann auf drei Merkmale reduziert werden: NATO-Erweiterung in die Ukraine, Russland und Sewastopol, der Stützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte auf der Krim.   

Die amerikanische Unterstützung für die europäischen Ziele der Osterweiterung, inklusive der Ukraine, dienten nur dazu, diese drei US-Interessen zu erreichen. Dass sich die USA vor der EU als Wirtschaftsmacht fürchtet, zeigt sich zum Beispiel an der Handhabung des umstrittenen Freihandelsabkommens TTIP. Aus amerikanischer Perspektive galt es also, die Ambitionen der Europäer bis zu einem Grad zu unterstützen, solange diese nicht den eigenen in die Quere kamen. Und wenn sich diese europäischen Ambitionen noch irgendwie mit amerikanischen vermischen ließen, umso besser. Und genau da kommt das transatlantische Militärbündnis NATO ins Spiel.

Nur um die historische Aufgabe der NATO nochmal in Erinnerung zu rufen, hier der Text aus dem Gründungsvertrag vom 4. April 1949:

Die Parteien dieses Vertrags bekräftigen erneut ihren Glauben an die Ziele und Grundsätze der Satzung der Vereinten Nationen und ihren Wunsch, mit allen Völkern und Regierungen in Frieden zu leben. Sie sind entschlossen, die Freiheit, das gemeinsame Erbe und die Zivilisation ihrer Völker, die auf den Grundsätzen der Demokratie, der Freiheit der Person und der Herrschaft des Rechts beruhen, zu gewährleisten. Sie sind bestrebt, die innere Festigkeit und das Wohlergehen im nordatlantischen Gebiet zu fördern. Sie sind entschlossen, ihre Bemühungen für die gemeinsame Verteidigung und für die Erhaltung des Friedens und der Sicherheit zu vereinigen.

Ihren Existenzgrund definiert die NATO selbst folgendermaßen: Abschreckung der sowjetischen Expansion; die Wiederbelebung von nationalistischem Militarismus in Europa durch eine starke nordamerikanische Präsenz auf dem Kontinent verhindern; Ermunterung zur politischen Integration in Europa.

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Nachdem es heute die Europäische Union gibt, die politische Integration in Europa geglückt ist und auch die Gefahr der sowjetischen Expansion nicht mehr vorhanden ist, da es die UdSSR seit mehr als zwei Jahrzehnten nicht mehr gibt, gibt es eigentlich seit den 1990er Jahren keine Existenzberechtigung mehr für dieses Bündnis, zumindest nicht in dem ursprünglichen Charakter der Allianz. Und dennoch gibt es die NATO noch. In Abwesenheit eines wirklichen Feindbildes seit der Auflösung der Sowjetunion konzentrierte sich das Bündnis auf einen anderen politischen Aspekt ihrer Tätigkeit, jenen der europäischen Integration. Ab 2000 war das gleichbedeutend mit der Osterweiterung in Gebiete, die nur ein Jahrzehnt zuvor noch hinter dem Eisernen Vorhang gelegen hatten. Doch während sich Europa auf die strukturelle Integration dieser Länder in die eigene Union fokussierte, ging die NATO noch einen Schritt weiter und positionierte sich durch die Aufnahme dieser Länder in das Militärbündnis direkt vor der Haustüre des ehemaligen Feindes.

Als die NATO zum Selbstzweck wurde

Dazu muss unbedingt noch etwas gesagt werden: Während die Osterweiterung der Europäischen Union in einem halbwegs demokratischen Prozess durch die "alten" EU-Länder selbst bestimmt und abgesegnet wurde, verhält es sich bei der NATO-Erweiterung ganz anders.

Zwar müssen die Länder wie auch bei der EU selbst einen Antrag auf Aufnahme stellen, aber entschieden wird einzig und allein in Washington, wer aufgenommen wird und wer nicht. Für jedes neue NATO-Mitglied benötigt es eine Abstimmung im US-Senat mit einer Zweidrittelmehrheit, da sich die Vereinigten Staaten von Amerika durch den Beitritt eines Staates zumindest theoretisch zu für dessen Verteidigung verpflichten.

In diesem Zusammenhang gibt es Wunschkandidaten der NATO, und einer der größten verbliebenen Wunschkandidaten war und ist die Ukraine.

In Washington ist man sich der strategisch wichtigen Lage der Ukraine natürlich vollauf bewusst. Die Ukraine bildete seit Jahrhunderten eine Pufferzone zwischen den verschiedenen Königreichen und späteren Nationalstaaten. Die einzige natürliche Barriere in der heutigen Ukraine bildet der Gebirgszug der Karpaten ganz im Westen, an der Grenze zu Polen und Rumänien. Sobald eine Armee die Karpaten überwunden hat, ist der Weg bis nach Russland frei. Außer Steppen und Äckern würde der angreifenden Armee aus russischer Sicht nichts im Wege stehen.

Genauso ist Nazi-Deutschland bereits im Zweiten Weltkrieg auf seinem Weg nach Stalingrad einmarschiert. Es kann daher niemanden wirklich überraschen, dass die Ukraine für Russland von elementarster Bedeutung für die nationale Sicherheit ist und war.

Keine essenzielle Kooperation mit Russland

Zbigniew Brzezinski, ein ehemaliger polnischer Flüchtling des Zweiten Weltkrieges, der es in den USA bis zum Sicherheitsberater von Präsident Jimmy Carter geschafft hatte und zu den berühmtesten "Kalten Kriegern" gehörte, schrieb in seinem Buch "Das Große Schachbrett - Amerikas Vorherrschaft und deren geostrategische Imperative" von 1997 folgendes über die Ukraine:

Ohne die Ukraine hört Russland auf, ein Reich zu sein, während es mit der Ukraine - zuerst gekauft und dann unterdrückt - automatisch zu einem Reich wird. Die Ukraine ist der Außenposten des Westens, um eine Neu-Erschaffung der Sowjetunion zu verhindern. Die neue Weltordnung unter der Hegemonie der Vereinigten Staaten ist gegen Russland und Fragmente Russlands errichtet worden.

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Diese Sätze eines der einflussreichsten Männer in der amerikanischen Politik - so war zum Beispiel Präsident Barack Obama ein Schützling von Brzezinski -, der dazu noch ein ausgesprochener Gegner Russlands war, waren nicht einfach nur Sätze in einem Buch, sondern spiegeln tatsächlich die Realität wieder. Sie bestätigen ebenfalls die Behauptung von Professor Cohen, dass die USA heute keine "essenzielle Kooperation" mehr mit Moskau betreiben, beziehungsweise seit der Auflösung der Sowjetunion nie wirklich betrieben haben. Die Ukraine wurde zum Schlüssel der neuen amerikanischen Weltordnung erkoren. Und fast heimlich haben die Strategen in Washington in diesem Kontext ganz nebenbei Russland wieder zum Feindbild für die NATO erklärt.

Heimlich deshalb, weil diese Entwicklung nicht wirklich geplant, sondern eine Konsequenz der amerikanischen "Schachzüge auf dem Großen Schachbrett" war, um in der Sprache von Brzezinski zu bleiben.

(Fortsetzung folgt)

Analyse: Die bekanntesten transatlantischen Think Tanks mit antirussischer Agenda und ihre Geldgeber

Analysen

Anti-Russland-Kampagnen sind zu einem lukrativen Geschäft geworden. In den letzten Jahren sind die Einnahmen von Think Tanks geradezu explodiert. Aber wer finanziert diese Organisationen, wer arbeitet für sie und was sind ihre tatsächlichen Ziele?

von Bryan MacDonald und Florian Warweg

Um es gleich zu Beginn klarzustellen: Der Begriff "Think Tank" ist lediglich ein netterer Ausdruck für "Lobbygruppe". Von wenigen Ausnahmen abgesehen, dienen Think Tanks dazu, den Agenden ihrer Geldgeber zu entsprechen und diese zu fördern.

Vor allem in den Vereinigten Staaten ist das Feld zunehmend fragwürdig und unaufrichtig geworden, dort schmücken sich Lobbyisten mit akademisch klingenden Titeln wie "Senior Non-Resident Fellow" oder "Junior Adjunct Fellow" und dergleichen mehr. Diese Nebelwand dient in der Regel dazu, die wirklichen Ziele zu vernebeln.

Think Tanks stammen eigentlich aus dem Europa des Mittelalters. Um ganz genau zu sein, aus dem Frankreich des 9. Jahrhunderts. Aber die moderne amerikanische Bewegung orientiert sich an britischen Organisationen, die etwa ein Jahrtausend später das Licht erblickten, von denen viele, wie z. B. RUSI (1831), auch heute noch existieren. Das Konzept wurde von dem in Schottland geborenen Andrew Carnegie in die USA gebracht. Sein "Carnegie Endowment for International Peace" (1910) ist immer noch gut im Geschäft.

Doch der eigentliche Boom in der Think-Tank-Branche kam mit der Zeit der Globalisierung, mit einem 200-prozentigen Anstieg seit dem Jahr 1970. In den letzten Jahren sind die Denkfabriken zudem transnationaler geworden, mit ausländischen Staaten und Einzelpersonen, die diese sponsern.

Insbesondere boomen derzeit solche Think Tanks, die sich darauf konzentrieren, die "Bedrohung durch Russland" per Analysen und Kampagnen aufzubauschen. RT stellt die "renommiertesten" Think Tanks und deren Mitarbeiter vor und beleuchtet deren Finanzierung.

Atlantic Council

Gegründet: 1961

Der Atlantic Council (AC) ist im Wesentlichen der akademische Flügel der NATO. Die Denkfabrik dient dazu, Menschen, die für die Agenda der Organisation nützlich sind, in ganz Europa und Nordamerika zu vernetzen. In den letzten Jahren hat sich die Rekrutierung jedoch zunehmend auf Mitarbeiter konzentriert, die Russland direkt angreifen, insbesondere auf Social Media.

Wer arbeitet für den Atlantic Council?

Die Liste der Lobbyisten des AC (Äh sorry, Fellows!) liest sich wie ein anti-russisches Telefonbuch:

  1. Dmitri Alperowitsch, der immer noch faktenfrei behauptet, dass Russland das DNC gehackt hat.
  2. Anders Aslund, der Russland schon mehrfach den bevorstehenden Zusammenbruch voraussagte und bisher immer grandios daneben lag.
  3. Joe Bidens "Russland-Hand", Michael Carpenter.
  4. Evelyn Farkas, eine fanatische Russophobe, die in der Obama-Regierung gedient hat.
  5. Ein weiterer interessanter Lobbyist des AC ist Eliot Higgins, ein selbsternannter "Geolokationsexperte", der Karriere auf der Basis von Spinnereien zu den Konflikten in der Ukraine und in Syrien gemacht hat, sich aber natürlich größtenteils desinteressiert zeigt, den Irak oder Jemen mit seiner Arbeit abzudecken, also Länder, in denen die USA und ihre Verbündeten involviert sind, in denen Russland aber kaum eine Rolle spielt.
  6. Nicht zu vergessen ist schließlich Michael Weiss von CNN, der selbsternannte "Russland-Analyst", der nach allem, was man hört, noch nie in Russland war und kein Wort Russisch sprechen kann.

Wer finanziert den Atlantic Council?

Der Atlantic Council hat eine ganze Reihe von ausgewählten Mäzenen zu bedienen. Die NATO selbst ist ein großer Geldgeber, zusammen mit den Militärunternehmen Saab, Lockheed Martin, Northrop Grumman, Boeing und der Raytheon Company, die alle von den verstärkten Spannungen mit Moskau profitieren. Auch das britische Außenministerium, der Ukrainische Weltkongress und das US-Außenministerium spritzen Geld in den Think Tank. Ein weiterer wichtiger Förderer ist das US-Militär mittels je separaten Beiträgen der Luftwaffe, der Marine, der Armee und des Marine Corps.

The Center for European Policy Analysis (CEPA)

Gegründet: 2005

Trotz seines Namens hat das CEPA seinen Hauptsitz in Washington, D.C. und nicht auf dem "alten Kontinent", aber es unterhält einen Außenposten in Warschau. Dieser Lobby-Club konzentriert sich speziell auf Mittel- und Osteuropa und wirbt dort für die Agenda der US-Armee und die etablierte US-Außenpolitik. In ihren eigenen Worten heißt dies dann:

Ziel ist die Schaffung eines Mittel- und Osteuropas mit engen und dauerhaften Beziehungen zu den Vereinigten Staaten.

CEPA ist ein Zuhause für Medienschaffende, die ihre Karriere dem Widerstand gegen Russland widmen. Sie wecken Spannungen, auch wenn diese eigentlich gar nicht existieren, vermutlich, um für ihre Sponsoren aus der US-Rüstungsindustrie Geschäfte zu ermöglichen. Zum Beispiel hat CEPA das vergangene Jahr damit verbracht, die "Bedrohung" durch die gemeinsamen Übungen von Russland und Weißrussland beim "Zapad"-Manöver zu hochzuspielen. Sogar eine unheimlich aussehende Countdown-Uhr lief prominent auf der Webseite, bevor das lang geplante Manöver begann.

Das CEPA übertrieb die Größe des Manövers massiv und behauptete, dass es sich um "die größte militärische Übung seit dem Ende des Kalten Krieges“ handeln würde. Alle Aussagen Moskaus über den tatsächlichen Umfang wurden als "Desinformation" abgetan.

Wer finanziert CEPA?

Während andere Denkfabriken zumindest versuchen, ihre Finanzierung halb-organisch aussehen zu lassen, scheint das CEPA keine Probleme mit seiner Rolle als Sprachrohr für Rüstungsunternehmen zu haben. FireEye, Lockheed Martin, Raytheon, Bell Helicopters und BAE-Systeme pumpen Gelder hinein, zu den Geldgebern gesellen sich zudem das US-Außen- und Verteidigungsministerium. Ein weiterer bemerkenswerter Zahlmeister ist das National Endowment for Democracy - 'Regime-Change'-Experten, die sicher daran interessiert sind, dass das CEPA auch für Belarus zuständig ist. Die US-Mission bei der NATO und die NATO-interne "Abteilung für öffentliche Diplomatie" stellen ebenfalls Finanzmittel zur Verfügung.

German Marshall Fund of the United States

Gegründet: 1972

Lassen Sie sich nicht vom Namen täuschen, der German Marshall Fund (GMF) ist ein US-amerikanischer Think Tank mit wenig Input aus Berlin. Er wurde durch eine Spende der Bonner Regierung unter Willy Brandt anlässlich der Feierlichkeiten zum 25-jährigen Bestehen des Marshallplans gegründet. Ironischerweise wird Brandt heute vor allem als Vater einer Ostpolitik in Erinnerung gerufen, die eine Annäherung zwischen Deutschland und Russland anstrebte.

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion verwandelte sich der GMF in ein Vehikel, das den Einfluss der USA in Osteuropa förderte, mit Vertretungen in Warschau, Belgrad und Bukarest. Aber in den letzten 12 Monaten hat GMF eine sehr merkwürdige Wandlung durchgemacht. Nach der Wahl von US-Präsident Donald Trump (ironischerweise ein Deutsch-Amerikaner) startete die Lobbygruppe das Projekt "Alliance for Securing Democracy" (Allianz zur Sicherung der Demokratie - ASD).

Im Mittelpunkt steht dabei das Hamilton 68 Dashboard, welches Nutzer von sozialen Medien, die den Konsens der liberalen US-Elite ablehnen, als "russische Trolle" klassifiziert. Die Reaktionen auf das neue Instrument von GMF waren äußerst kritisch, selbst von sonst dem Think Tank wohlgesonnener Seite.

Wer arbeitet für GMF?

Der GMF, vor allem durch sein neues ASD-Spielzeug, verfügt über eine hochkarätige Gruppe von Lobbyisten.

  1. Dazu gehört Toomas Ilves, ein in den USA aufgewachsener Sohn estnischer Emigranten, der einst im ehemaligen CIA-geleiteten Radio Free Europe die Sendungen zu Estland koordinierte und schließlich Präsident des Landes wurde.
  2. Mit an Bord ist auch Bill Kristol, bekannt als "Architekt des Irak-Krieges".
  3. Ebenso ist der ehemalige CIA-Direktor Michael Morrell Teil von GMF.
  4. Michael McFaul, ehemaliger US-Botschafter in Russland, der kürzlich verkündete, dass er sein Forschungsstipendium zu Russland aufgibt und "das Interesse an der Aufrechterhaltung meiner Fähigkeit, Russisch zu sprechen und zu schreiben, verloren hat", ist ein weiteres Teammitglied. Nachdem er in Obamas Team gedient hat, hat sich McFaul seit 2016 mit 280.000 Twitter-Anhängern, von denen 106.000 laut Twitter-Audit gefälscht sind, als Netzwerk-TV-Persönlichkeit neu erfunden.

Wer finanziert GMF?

Die größten Geldgeber sind unter anderem das deutsche Auswärtige Amt (AA) und die Robert Bosch Stiftung, die jährlich jeweils einen siebenstelligen Betrag an GMF überweisen. Mindestens 500.000 US-Dollar kommen zudem von der ebenso mit deutschen Steuergeldern finanzierten Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ). Dies wirft natürlich einige Fragen auf. Wieso finanziert der deutsche Steuerzahler via AA und GIZ das Hamilton-68-Dashboard, welches Leute als "russische Agenten" denunziert, nur weil diese sich kritisch mit der Außenpolitik der USA und Westeuropas auseinandersetzen?

Weitere signifikante Geldmittel fließen aus dem US-Außenministerium, der NATO und dem lettischen Verteidigungsministerium in das Säckel von GMF. Weitere interessante Zahlmeister sind "Philanthrop" George Soros, Airbus, Google, Boeing und das allgegenwärtige US-Rüstungsunternehmen Raytheon.

Institute for the Study of War (Institut für Kriegsforschung – IFTSOW)

Gegründet: 2007

Diese Lobbygruppe könnte ebenso gut den Titel "Institut zur Förderung von Kriegen“ tragen. Im Gegensatz zu den zuvor genannten sieht IFTSOW Russland nicht als alleiniges und primäres Ziel, sondern zieht es vor, sich für mehr Konflikte im Nahen Osten einzusetzen. Der zunehmende Einfluss Moskaus in dieser Region, hat jedoch auch den Kreml ins Fadenkreuz des "Instituts" gerückt.

Die IFTSOW agitiert für immer mehr US-Aggressionen. Sie unterstützte den so genannten "Stromstoß" im Irak und hat ein stärkeres Engagement in Afghanistan angeregt. Weitere Schwerpunkte des IFTSOW sind Syrien, Libyen und Iran. Erst letzte Woche rief eine ihrer Lobbyisten, Jennifer Cafarella, das US-Militär dazu auf, Damaskus einzunehmen. Dies würde Washington in einen direkten Konflikt mit Russland und dem Iran bringen.

Wer arbeitet für IFTSOW?

  1. Kimberly Kagan ist der Kopf hinter dem Institut. Sie ist mit Frederick Kagan verheiratet, der zusammen mit seinem Bruder Robert Kagan in die Gruppe "Project for the New American Century" involviert war. Damit ist Kimberly die Schwägerin von Victoria "F**k the EU" Nuland.
  2. Eine weiterere Lobbyistin ist die Ukrainerin Natalia Bugayova, die am EuroMaidan-Putsch 2014 in Kiew beteiligt war. Zuvor arbeitete sie für die Kiew Post, eine explizit anti-russische Zeitung, die sich für die Interessen der USA in der Ukraine einsetzt.
  3. Die bekannteste Lobbyistin des IFTSOW war jedoch Elizabeth O'Bagy, die 2013 als "Syrien-Expertin" auftauchte und die US-Führung dazu aufforderte, schwere Waffen an syrische Rebellengruppen zu schicken. Sie behauptete, einen Doktortitel von der Georgetown University in Washington, D.C. zu haben, aber der war fiktiv - und sobald die Medien darauf eingingen, wurde sie vom IFTSOW entlassen. Nur zwei Wochen später wurde sie jedoch für ihre Täuschung belohnt und erhielt einen Job bei dem geradezu fanatisch russophoben Senator John McCain. O'Bagy hat auch intensiv mit Michael Weiss vom Atlantic Council zusammengearbeitet, was ein weiterer Beleg dafür ist, wie eng und inzestuös die Welt der anti-russischen Think Tanks in den USA ist.

Wer finanziert IFTSOW?

Vorhersagbar hat, wie auch bei fast allen anderen anti-russischen Think Tanks, der US-Rüstungskonzern Raytheon seine Brieftasche weit geöffnet. Daneben sind auch andere US-Militärunternehmen wie General Dynamics und DynCorp beteiligt. L3, das Dienstleistungen für das US-Verteidigungsministerium, das Heimatschutzministerium und die Geheimdienste der Regierung erbringt, ist ein weiterer Geldgeber neben Vencore, CACI und Mantech.

Donnerstag

Mehr Russen sind von der Einmischung der USA in ihre Wahlen überzeugt als umgekehrt

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Ein Großteil der Amerikaner ist der Ansicht, dass Russland ihnen Donald Trump bescherte. Aber ein noch größerer Teil der russischen Bevölkerung ist davon überzeugt, dass die USA versuchen, russische Wahlen zu beeinflussen. Im Jahr 2012 sollen die USA bei dem Versuch besonders aggressiv gewesen sein.

Russische Nachrichtenagenturen werden zu Agenten gemacht, Sanktionen gegen Russland im Wirtschaftsinteresse der USA vorangetrieben und "russische Oligarchen" auf amerikanische schwarze Listen gesetzt. In Washington wird derweil weiter nach Spuren gesucht, die nach Russland führen und das Märchen der amerikanischen Wahlbeeinflussung bestätigen.

Eine Untersuchung in den USA zur Zahl unter den Amerikanern, die von einer russischen Wahleinmischung überzeugt sind, wurde vom "Chicago Council of Global Affairs" durchgeführt. In Russland übernahm die Untersuchung deren russischer Partner, das Levada Zentrum. 78 Prozent der befragten Russen glauben an die Wahleinflussnahme, bei den Amerikanern sind es hingegen nur 69 Prozent. 

Die Präsidentschaftswahlen in Russland finden am 18. März statt. Wenn es keinem der Kandidaten gelingt, eine absolute Mehrheit zu erreichen, wird am 8. April eine Stichwahl stattfinden. Nach einer Umfrage von WZIOM (staatliches russisches Zentrum zur Erforschung der öffentlichen Meinung) würden 70 Prozent für Putin stimmen. Bei den Wahlen im Jahr 2012 ist Putin davon überzeugt, dass die USA versuchten, oppositionelle Gruppen zusammenzubringen und diese finanzierten. In der Dokumentarfilm-Reihe des Regisseurs Oliver Stone "Putin Interviews" erzählt Putin, wie die USA versuchten, sich einzumischen. Auch Diplomaten waren Teil dieser Aktionen, was gegen die Natur ihrer Arbeit ist, denn diese sollten "zwischenstaatliche Beziehungen herstellen":

Sie taten es in den Jahren] 2000 und 2012, das geschah immer wieder. Aber besonders aggressiv im Jahr 2012. Ich werde nicht ins Detail gehen. Sie sammelten oppositionelle Gruppen und finanzierten sie, nahmen an Protesten der Opposition teil. 

Die Vorwürfe der Wahlbeeinflussung Russlands in den USA bezeichnete Putin als ein "Mittel des innerpolitischen Kampfes in den Vereinigten Staaten". 

Internationaler Sportgerichtshof hebt Sperren gegen die meisten russischen Athleten auf

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Der Internationale Sportgerichtshof CAS hat die lebenslangen Olympia-Sperren gegen 28 russische Athleten aufgehoben. Der CAS folgte damit in weiten Teilen nicht den Urteilen des Internationalen Olympischen Komitees.

Der Internationale Sportgerichtshof CAS hat die lebenslangen Doping-Sperren gegen 28 russische Wintersportler wegen unzureichender Beweislage aufgehoben. Elf weitere Sportler bleiben für die Spiele in Pyeongchang ausgeschlossen, ihre lebenslangen Sperren für Olympia sind laut einer CAS-Mitteilung vom Donnerstag ebenfalls ungültig.

Das IOC hatte insgesamt 43 russische Wintersportler von künftigen Olympischen Spielen ausgeschlossen, weil die Athleten bei den Heim-Spielen in Sotschi 2014 von organisierten Manipulationen profitiert haben sollen. 42 der betroffenen Sportler hatten vor dem CAS Einspruch eingelegt.

Langlauf-Olympiasieger Alexander Legkow, Skeleton-Olympiasieger Alexander Tretjakow und Rodler Albert Demtschenko gehören zu den Athleten, deren Sperren der CAS nun aufgehoben hat. Der deutsche Rodler Andi Langenhan bleibt daher Vierter der Spiele von Sotschi und erhält nicht nachträglich Bronze. Bob-Olympiasieger Alexander Subkow zählt hingegen zu den Athleten, die für Pyeongchang gesperrt bleiben.

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hatte zuletzt zu erkennen gegeben, dass es auch im Falle eines Freispruchs durch den CAS diese Sportler nicht für die Spiele in Südkorea zulassen wird. Das NOK Russlands war nach der IOC-Entscheidung Anfang Dezember für die Winterspiele gesperrt worden. Allerdings dürfen russische Sportler unter neutraler Flagge und ohne Hymne starten. Sie werden als "Olympischer Athlet aus Russland" (OAR) geführt. Nach eingehender Prüfung hat das IOC 169 russischen Athleten erlaubt, in Südkorea anzutreten.

In den zurückliegenden Tagen waren 39 Russen vom Sportgerichtshof angehört worden, via Videoschalte ebenso Kronzeuge Grigori Rodschenkow - früher Chef des Anti-Doping-Labors Moskau - und der WADA-Chefermittler Richard McLaren. Über drei russische Biathletinnen wird der CAS voraussichtlich erst nach den Spielen in Südkorea entscheiden. Alle drei haben ihre Laufbahn beendet.

Grundlage der IOC-Beschlüsse in der Causa Russland waren die Aussagen von Rodschenkow und die Berichte von McLaren für die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA). Rodschenkow hatte nach seiner Flucht in die USA das vermeintliche Betrugssystem bei Olympia in Sotschi enthüllt. McLaren sammelte weitere Belege für ein groß angelegtes Dopingprogramm. Die Vorwürfe eines Staatsdopings wurden jedoch von Russland stets zurückgewiesen. Die vom IOC eingesetzte Disziplinarkommission unter Leitung von Denis Oswald sah die Beweislast gegen die Russen nach weiteren "forensischen und analytischen Doping-Untersuchungen" als erdrückend an. Doch der CAS folgte dem aber offenbar nicht.

Samstag

Russland unter Putin: Lebensqualität verdreifacht - Auslandsverschuldung um 75 Prozent gesunken

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Wladimir Putin wurde erstmals im Jahr 2000 zum russischen Präsidenten gewählt. Wir haben für Sie die Punkte zusammengeführt, die verdeutlichen, wie sich die russische Wirtschaft in Zahlen ausgedrückt in der Zwischenzeit verändert hat.

Lebensqualität

Vor Putins Wahl hatte Russland ein Pro-Kopf-BIP von 9.889 US-Dollar, gemessen an der Kaufkraftparität (KKP). Die Zahl hat sich bis 2017 fast verdreifacht und liegt nun bei 27.900 US-Dollar. Russland hat mittlerweile das höchste Pro-Kopf-BIP unter seinen BRICS-Partnerstaaten, gefolgt von China mit 16.624 US-Dollar. Die KKP berücksichtigt die relativen Lebenshaltungskosten und die Inflationsraten der jeweiligen Länder, um den Lebensstandard in den verschiedenen Ländern vergleichen zu können.

Der durchschnittliche Monatslohn ist unter Berücksichtigung des Faktors KKP im Dollar-Gegenwert fast um das Elffache von ungefähr 1.523 Rubel im Jahr 1999 (damals etwa 61 US-Dollar) auf 36.703 Rubel (Durchschnitt für 2016; etwa 652 US-Dollar) gestiegen. Die Arbeitslosigkeit ist in diesem Zeitraum von 13 Prozent auf 5,2 Prozent gesunken. Die Renten sind im gleichen Zeitraum von 823 Rubel im Jahr 2001 auf 12.080 Rubel im Jahr 2016 gestiegen - in Dollar umgerechnet mehr als 1.000 Prozent von 20 auf 221.

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Wirtschaftliche Leistung

Russland ist gemäß seiner KKP die sechstgrößte Volkswirtschaft der Welt mit einem Bruttoinlandsprodukt, das sich - so der Internationale Währungsfonds - der Marke von vier Billionen US-Dollar nähert. PricewaterhouseCoopers prognostiziert, dass das Land bis 2050 zur größten Volkswirtschaft Europas wird und Deutschland und Großbritannien überholt.

Im Jahr 1999 lag Russlands Kaufkraftparität noch bei 620 Milliarden US-Dollar. Demnach ist die russische Wirtschaftsleistung in den letzten 18 Jahren um ungefähr 600 Prozent gestiegen.

Die Inflationsrate ist bis Ende 2017 von den 36,5 Prozent vom Anfang des Jahrtausends auf 2,5 Prozent gesunken. Der Gesamtwert der Aktiva des russischen Bankensystems ist um das 24-fache und somit auf 1,43 Billionen US-Dollar angewachsen. Die Kapitalisierung des russischen Aktienmarktes ist seit 1999 mit 621 Milliarden US-Dollar um mehr als das 15-fache gestiegen.

Staatsschulden und Währungsreserven

Als Putin im Jahr 2000 gewählt wurde, verfügte Russland nur über Reserven in Höhe von 12 Milliarden US-Dollar, begleitet von einer Staatsverschuldung, die fast 92,1 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes entsprach.

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Nach 18 Jahren haben sich die Dinge deutlich verändert, da die Staatsverschuldung Russlands auf 17,4 Prozent des BIP geschrumpft ist und die Währungsreserven im gleichen Zeitraum auf 356 Milliarden US-Dollar angestiegen sind. Niedrige Verschuldung und wachsende Reserven halfen dem Land, die Wirtschaftskrise von 2008 und die Rezession der Jahre 2014 bis 2016 zu überstehen, die durch das Sinken der Ölpreise sowie durch die westlichen Sanktionen verursacht wurde.

Die russischen Goldreserven sind seit 2000 um mehr als 500 Prozent gestiegen. Die Zentralbank Russlands fügte im Dezember letzten Jahres 9,3 Tonnen Gold ihren bereits bestehenden Reserven hinzu, wodurch sich die jährlichen Gesamtbestände auf einen Rekordwert von 1.838,211 Tonnen belaufen. In monetärer Hinsicht sind die Goldreserven heute über 76 Milliarden US-Dollar wert.

Laut dem World Gold Council ist Russland der größte Goldkäufer und der drittgrößte Goldproduzent der Welt. Im eigenen Land erwirbt die Zentralbank das Edelmetall bei heimischen Bergleuten, wobei Geschäftsbanken in diesem Prozess als Zwischenhändler agieren.

Landwirtschaft

Während die russische Wirtschaft nach wie vor von Öl- und Gaseinnahmen dominiert wird, hat auch der Agrarsektor in den letzten Jahren einen Boom erlebt. Russische Landwirte produzierten im Landwirtschaftsjahr 2017 ihre bisher größte Ernte, brachen den 40 Jahre alten sowjetischen Rekord und ernteten mehr als 130 Millionen Tonnen Weizen.

Bereits im Jahr 2016 wurde Russland zum Weltmarktführer bei Weizenexporten. Seit Anfang der 2000er Jahre hat sich der Anteil Russlands am Weltweizenmarkt von vier auf 16 Prozent vervierfacht.

Obwohl die Landwirtschaft immer noch weit hinter dem Energiesektor zurückbleibt, übertraf sie bereits die Waffenverkäufe und wurde zur zweitgrößten Exportbranche des Landes.

Russland begann 2002 mit dem Export von Getreide und verkaufte damals etwas mehr als sieben Millionen Tonnen. Im Jahr 2017 markierte der geplante Verkauf von 45 Millionen Tonnen Getreide einen Zuwachs von mehr als 600 Prozent gemessen am Ausgangswert.

Das "geheime Geheim-Papier": FISA-Memo wird zum Offenbarungseid für deutsche Leitmedien

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In den großen deutschen Medien spielte das "FISA-Memo" lange keine Rolle. Als dessen Existenz sich nicht mehr verschweigen ließ, wussten sie jedoch schon im Voraus, dass sein Inhalt nicht glaubwürdig wäre. Dabei ist der noch nicht einmal veröffentlicht.

Nachrichten aus dem Herzen der USA werden in den großen deutschen Medien zum Teil mit erstaunlichem Engagement verbreitet: die stündlichen Pegelstände angesichts eines aktuellen Hurrikans, naive Reden von Hollywood-Sternchen auf Frauenrechtsdemos und gerne auch noch die fragwürdigsten Details zur so genannten Russiagate-Kampagne, die gerne auch mal ungeprüft von der Washington Post übernommen werden.

Da ist es durchaus bemerkenswert, dass die Zuschauer von ARD und ZDF erstmals am Donnerstag von einem seit Wochen die US-Medien dominierenden Vorgang erfahren durften: von der hitzigen Debatte um das "FISA-Memo" genannte Papier, das unter anderem die mutmaßliche Instrumentalisierung des FBI durch Teile der Obama-Regierung thematisiert. Verfasst hatte es der republikanische Vorsitzende des Geheimdienstausschusses, Devin Nunes. Um eine mögliche Veröffentlichung des Dokuments ist in den USA längst eine aufgeregte Diskussion im Gange.

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Drei Jahre nach Haarproben-Skandal: FBI für deutsche Medien über jeden Zweifel erhaben

Nun, da diese Debatte auch in Deutschland beim besten Willen nicht mehr zu verschweigen ist, vermeldete die ARD endlich den Vorgang - und bezeichnet das Memo fälschlicherweise als "neuen Geheimbericht", vielleicht, um die eigene verzögerte Reaktion zu rechtfertigen. Das FBI sei "aufgeschreckt", fährt die ARD fort. Der Sender meint damit aber nicht die Angst der beschuldigten Special Agents vor Enthüllungen, sondern erhebt das FBI in dem Bericht in den Stand eines "neutralen" Anwalts, der die "Qualität" des ihn selber kritisierenden Memos beanstanden darf und offensichtlich die Sympathien der ARD-Redakteure genießt.

Der öffentlich-rechtliche Sender steht mit dieser zweifelhaften Leistung aber immer noch besser da als viele andere deutsche Medien, die sich immer noch in völliges Schweigen hüllen. Inzwischen lassen sich aber doch vereinzelte Artikel in deutscher Sprache zum Thema finden - etwa im Spiegel und in der Welt. Inhaltlich hauen diese in ähnliche Kerben wie die ARD: Das "seriöse" FBI wehrt sich demnach gegen eine "Kampagne". Mit der von Präsident Donald Trump geplanten Veröffentlichung des Memos würde dieser seinen eigenen FBI-Chef düpieren, der gegen die Veröffentlichung gestimmt habe, "da das Papier aus seiner Sicht viele Fehler und Lücken enthält", so der Spiegel.

In der Folge legt das ehemalige Nachrichtenmagazin noch die letzte Distanz ab und macht sich die Sichtweise des FBI komplett zu eigen:

Das Dokument ist keine offizielle Behördenstellungnahme, sondern wurde von Kongressmitarbeitern der Republikaner erstellt. Es ist deshalb eher als Kampagneninstrument zu verstehen. Trump und seine Mitstreiter versuchen gezielt, die Glaubwürdigkeit der Ermittler um Robert Mueller zu untergraben.

Wenig überraschend ist auch die Position der Welt:

Ein obskures Memo wird zum zentralen Instrument einer Kampagne des Weißen Hauses und republikanischer Kreise gegen die Glaubwürdigkeit des FBI.

"Einordnung" statt ernsthafter Aufbereitung

Fast schon zum Schmunzeln regt an, wenn dann ausgerechnet der Spiegel von einer "regelrechten Schlammschlacht" spricht, mit der Trump versuche, nachzuweisen, "dass die Ermittlungen nichts weiter sind als eine Verschwörung hochrangiger Mitarbeiter der Justizbehörden und des FBI gegen den Präsidenten".

In Relation zu diesen Beiträgen liefert die FAZ noch den am ehesten eine gesunde Distanz wahrenden Bericht zum Thema, doch auch dieser Artikel hat eine klare Schlagseite pro FBI. Ansonsten herrscht zum Thema "FISA-Memo" noch immer weit verbreitetes Schweigen im deutschen Blätterwald.

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Natürlich lässt sich der Inhalt des Memos zum gegebenen Zeitpunkt nicht beurteilen, zudem er der Öffentlichkeit noch gar nicht bekannt ist. Auch sollen die Republikaner nicht als Unschuldslämmer erscheinen, denen politische Intrigen fremd wären. Man könnte es sogar als Gebot der journalistischen Sorgfalt bezeichnen, vor einer Berichterstattung zunächst den Inhalt des FISA-Papiers abzuwarten.

Aber durch das (versuchte) Verschweigen des gesamten Vorgangs und dessen anschließende parteiliche Vorabwürdigung wird in diesem Fall doch ein wichtiges Prinzip der medialen Ausgewogenheit verletzt: Die großen deutschen Medien können nicht monatelang Vorwürfe der Demokraten ungeprüft in die Welt tragen und bei einem Papier der Republikaner plötzlich ihre journalistischen Standards auf die Goldwaage legen.

Richtig ist das, was uns recht ist - Urteil des Sportgerichtshofs löst Schlammlawine aus

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Die Meldung aus Lausanne schlug ein wie eine Bombe - der Internationale Sportgerichtshof (CAS) kann den Dopingvorwurf gegen russische Athleten nicht bestätigen. Deutsche Medien und Sporteliten erheben das eigene Narrativ über die Justiz. RT Deutsch-Chefredakteur Ivan Rodionov kommentiert.

Die höchste sportliche Berufungsinstanz, der auch zwei Deutsche angehören, hat sich dem Dopingvorwurf gegen russische Spitzensportler angenommen. Ohnehin ließen die Anschuldigungen des IOC, so kurz vor Olympia, zumal gegen vier Top-Eiskunstläufer, viele Fragen offen.

Mit den Mitteln der anerkannten Rechtsprechung kam das Gericht zu dem Urteil, dass es keine belastbaren Hinweise auf Doping gibt und hob daher die Sperren von 28 russischen Spitzensportlern komplett und bei weiteren 11 teilweise auf.

Deutsche Sport-Eliten und Medien, deren eigenes Narrativ dadurch wackelt, scheinen enttäuscht über ein auf Recht statt auf Politik basierendes Urteil.