Sonntag

Anwohner sollen Flüchtling zum Suizid aufgerufen haben

Schmölln (dpa) - Nach dem tödlichen Fenstersturz eines 17-jährigen Flüchtlings im thüringischen Schmölln ist noch immer nicht geklärt, ob ihn Anwohner tatsächlich zum Suizid ermuntert haben.

Die Polizei machte bis zum frühen Sonntagmorgen keine Angaben zum Ergebnis der Befragung einer Frau, die kurz vor dem Sprung des Jugendlichen entsprechende Rufe gehört haben soll. Äußerungen des Bürgermeisters Sven Schrade (SPD) deuteten darauf hin, dass solche Worte gefallen sein könnten.

«Uns liegen auch Informationen vor, dass einige, ich nenne sie mal Schaulustige, diesem Vorfall lange beigewohnt haben, und wohl auch Rufe gefallen sein sollen wie «Spring doch»», sagte Schrade am Samstag dem MDR. «So etwas kann man nur verurteilen.» 

Der Geschäftsführer der Betreuungseinrichtung, David Hirsch, sagte ebenfalls, dass eine Mitarbeiterin entsprechende Rufe gehört habe. Polizei und Feuerwehr bestätigten dies zunächst nicht. Die Landeseinsatzzentrale der Polizei teilte am Samstagabend mit, die Aussagen der Mitarbeiterin würden geprüft.

Laut Polizei hatte sich der Flüchtling am Freitag aus dem Fenster seiner Unterkunft gestürzt. Die Beamten gehen von Suizid aus.

Den Angaben zufolge war der Jugendliche zuvor wegen psychischer Probleme in Behandlung. Kurz vor der Tat habe er in der Unterkunft randaliert, weshalb die Polizei gerufen wurde. Die Beamten konnten ihn aber nicht mehr vom Sprung aus dem fünften Stock abhalten.

Polizei und Feuerwehr bestätigten, dass sich Schaulustige vor der Unterkunft aufgehalten hätten. Nach Angaben der Polizei vom Samstagabend filmte ein Passant die Szenen mit einem Handy. Er sei noch vor Ort gebeten worden, das Video zu löschen, was er vor den Augen der Beamten auch getan habe.

Bürgermeister Schrade sagte auf Anfrage, zunächst müssten die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft abgewartet werden. Sie werde bei solchen Fällen automatisch eingeschaltet. Von einem Fremdverschulden werde nicht ausgegangen.

Sollten sich die angeblichen Rufe wie «Spring doch» bewahrheiten, sei das nicht tolerierbar, schrieb der Bürgermeister auf seiner Facebook-Seite. «Es ist verachtenswert, ja unmenschlich. Ob Geflüchtete oder hier Lebende: Wir alle sind Menschen.» Zudem schrieb er: «Leider erreichten mich heute auch Bildaufnahmen, die den Jungen auf dem Fensterbrett sitzend zeigten, versehen mit unbegreiflichen Kommentaren.»